Die Mär von der Männerdomäne IT

Die IT-Branche ist mit am stärksten vom Fachkräftemangel betroffen. Was fehlt? Frauen! Gerade einmal 19 Prozent Frauen arbeiten 2021 in einem IT-Beruf. Die Frage ist jedoch, warum? Denn entgegen der gängigen Stereotypen sind Berufe wie Programmierer*in oder Software Entwickler*in klassische Frauenberufe! Verschiedene Frauen haben die Geschichte der Informatik geprägt – hier findet ihr eine Auswahl dieser inspirierenden Vorbilder.

 

Ada Lovelace - Visionärin und erste Pgrogrammiererin
IT-Branche ist eine Männerdomäne? Keines wegs Ada Lovlace gilt als erste Programmiererin (Bild: commons.wikimedia.org)

 

Ada Lovelace (1815-1852): Visionärin und erste Programmiererin

Computer programmieren im 19. Jahrhundert? Das kann doch gar nicht sein? Eben das macht Ada Lovelace zu einer Visionärin. Denn selbstverständlich gab es zu ihrer Lebzeit noch keine Computer.

Ada Lovelace wurde am 10. Dezember 1815 geboren – ihr Vater? Niemand geringerer als einer der größten romantischen Dichter Englands: Lord Byron. Ihr weiterer Lebensweg war damit schon vorbestimmt: standesgemäß heiraten und Kinder gebären. Ein Studium war Frauen nicht gestattet, der Zutritt zu Universitäten und Bibliotheken war sogar untersagt. Nichtsdestotrotz ermöglichte ihre Mutter ihr eine naturwissenschaftliche Ausbildung. Besonders die Mathematik wurde so immer mehr zu ihrer Leidenschaft.  Auch nach ihrer Heirat blieb sie den mathematischen Studien treu. Sie verband eine enge Freundschaft mit dem Mathematikprofessor Charles Babbage.

Babbage entwarf die sogenannte Analytical Engine, eine mechanische Rechenmaschine für allgemeine Anwendungen – quasi ein Vorläufer der modernen Computer. Lovelace erkannte sofort das Potenzial und entwickelte das erste Programm, das eine Reihe von Rechenbefehlen enthält, deren Prinzipien sich in modernen Computern wiederfinden.

 

Zitat von Ada Lovelace - erste Programmiererin
Visionärin Ada Lovelace erkennt früh das Potenzial der Analytical Engine

Anerkennung für ihre Leistungen erhielt Lovelace zu Lebzeiten nicht. Ihre Arbeiten wurde nur mit ihren Initialen veröffentlicht, denn eine Frau in der Wissenschaft war zur damaligen Zeit undenkbar. Erst über 100 Jahre später ehrte sie das britische Verteidigungsministerium, indem es eine Programmiersprache „Ada“ nannte.

Übrigens: Die Vereinbarkeit von Berufung und Familie brachte auch Ada an ihre Grenzen. Einer Freundin berichtet sie über ihre unglückliche Ehe, da sie zwischen Schwangerschaften und Kinderbetreuung.

 

Grace Hopper - Pionierin der Informatik
Grace Hopper hat mit ihren bahnbrechenden Entwlickungen die heutige IT-Branche maßgeblich beeinflusst (Bild: commons.wikimedia.org)

Grace Hopper (1906-1992): Pionierin der Computer Programmierung

Den Grundstein für eine legendäre Karriere legte Grace Hopper an der renommierten Yale University. Dort studierte sie Mathematik und Physik und schloss mit sogar Auszeichnung ab. Anschließend startete sie ihre akademische Laufbahn: Sie lehrte Mathematik am Vassar College (einem der ältesten Frauen-Colleges der USA), promovierte gleichzeitig in Yale und forschte am renommierten Courant Institute der New York University.

Während des zweiten Weltkriegs wollte Grace für die U.S. Navy verpflichten – wurde aber abgelehnt, da sie mit 34 Jahren „zu alt“ war. Doch davon lies sie sich nicht unterkriegen und trat in die U.S. Naval Reserve ein – und startete damit eine bahnbrechende Karriere in der IT, denn sie wurde dem Navy-Computerprojekt zum Bau der Mark I zugeordnet, der ersten programmierbaren Großrechenanlage der USA.

Amazing Grace

Bereits früh erkannte sie, dass mehr in Computern steckte und hatte die Vision einer vereinfachten Programmiersprache, die nicht mit Einsen und Nullen darstellbar ist. So entwickelte sie im Zuge der Arbeit am ersten kommerziellen Computer UNIVAC I das Konzept eines Programms, das Programmierkommandos in Maschinensprachencode umwandelte. Damit legte den Grundstein zur Entwicklung der bekannten Programmiersprache COBOL („Common Business Oriented Language“), für die Grace auch heute noch weltweit Anerkennung erhält. Auch heute – über 60 Jahre später – wird COBOL noch verwendet, beispielsweise für Kartenlesegeräte an Geldautomaten.

Zitat von Grace Hopper, Pionierin der IT-Branche
Trotz aller Skepsis brachte Grace Hopper ihre Vision voran

Und das ist nur ein Ausschnitt aus den zahlreichen Errungenschaften der IT-Branche, die auf „Amazing Grace“ zurückzuführen sind. Für ihre Leistungen bekam sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter alleine 40 Ehrendoktorwürden.

Kleiner Fun Fact: Auch der Begriff Bug (Fehler im Programmcode einer Software) geht auf Grace Hopper zurück. Denn während der Arbeiten legte eine Motte das ganze System lahm. Als ihr Team den Übeltäter endlich fand, klebte Grace diesen in ihr Notizbuch und notierte: „First actual case of bug being found“ (deutsch: „Der erste Fall, in dem tatsächlich ein Ungeziefer gefunden wurde“).

Übrigens: Mit 61 Jahren wurde Grace bei der Navy wieder in den aktiven Dienst versetzt und zwar um Computer Probleme zu lösen!

 

Margaret Hamilton neben Ausdrucken der Apollo-Flugsoftware
Ohne Margaret Hamilton wäre die Mondlandung nicht möglich gewesen (Bild: commons.wikimedia.org)

Margaret Hamilton (*1936): Die Frau, die die Mondlandung ermöglichte

Neil Armstrong und Buzz Aldrin – das sind die Namen, die man mit der Mondlandung 1969 verbindet. Doch am Ende war es eine Frau, die mit einer Software diesen Meilenstein der Menschheitsgeschichte erst ermöglichte!

Margaret Hamilton wollte nach ihrem Studium eigentlich eine Mathematik Professorin werden, schlug aber dann einen anderen Weg ein. An der renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte sie schließlich eine Software, die das Wetter vorher sagen sollte – zu einer Zeit, in der Software Entwicklung noch keine eigene Disziplin war, sondern Margaret musste sich alles selbst beibringen.

Sie entwickelte noch zahlreiche weitere Programme, bis sie schließlich von der NASA beauftragt wurde, eine On-Board-Flugsoftware zu entwickeln, mit der man um Mond und zurück zu navigieren konnte. Quasi das Navi für die Mondlandung: der Apollo Guidance Computer (AGC). Er war zuständig für Navigation bis zur Mondumlaufbahn und zurück. Ein weiterer dieser Computer in der Landefähre sorgte für eine sichere Landung auf der Mondoberfläche. Daher heißen bedeutensten Standort der IT-Branche Silicon Valley die Helden der Mondlandung noch heute: Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Margaret Hamilton.

 

Zitat von Margaret Hamilton, Software-Entwicklerin für die Mondlandung
Frauen wie Margaret Hamilton gehören zu den Pionierinnen der IT-Branche

Für ihre Arbeit erhielt Margaret Hamilton zahlreiche Ehrungen, u.a. eine der höchsten zivilen Auszeichnungen der USA: die Presidential Medal of Freedom. Der damalige Präsident Barak Obama überreichte ihr diese mit den Worten: „Unsere Astronauten hatten nicht viel Zeit, aber zum Glück hatten sie Margaret Hamilton.“

Eine berufstätige Mutter in den 1960ern

Noch eine kleine Anekdote: Als berufstätige Mutter wurde auch Margaret mit den Herausforderungen der Vereinbarkeit konfrontiert. So nahm sie ihre kleine Tochter Lauren öfter mal abends und am Wochenende mit an ihren Arbeitsplatz im Instrumentation Laboratory. Die vielen Knöpfe und Regler luden da natürlich dazu ein, Astronautin zu spielen – mit der Folge, dass Lauren das ganze System zum Absturz brachte. Ein Problem, das wie Hamilton sehr gut erkannte, auch den Astronauten in Realität passieren konnte. Doch sie bekam nur zur Antwort: „Astronauten sind darauf trainiert, keine Fehler zu machen.“ Ein Trugschluss – denn eben das passierte Astronaut Jim Lovell bei der ersten Mondumrundung mit Apollo 8. Glücklicherweise konnte Hamiltons Team dieses Problem am Ende schnell wieder beheben.

Margaret Hamilton war nicht die einzige Frau hinter der Mondlandung. Viele engagierte Frauen haben diesen Meilenstein der Technik maßgeblich beeinflusst: Katherine Johnson, Dorothy Vaughan, Mary Jackson, JoAnn Morgan, Nancy Roman – um nur ein paar zu nennen. Starke Vorbilder, wie auch Hollywood entdeckt hat: in dem Oscar-nominierten Film „Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen“ wird die inspirierende Geschichte der drei iafroamerikanischen Mathematikerinnen Katherine Johnson, Dorothy Vaughan und Mary Jackson erzählt. Absoluter Superheldin Film-Tipp.

Mehr Infos zu den Apollo-Frauen könnt ihr hier lesen.

Betty Jennings & Frances Bilas mit dem Hauptbedienfeld des ENIAC
Betty Jennings & Frances Bilas mit dem Hauptbedienfeld des ENIAC (Bild: commons.wikimedia.org)

Francis Betty Snyder Holberton, Betty Jean Jennings Bartik, Kathleen McNulty Mauchly Antonelli, Marlyn Wescoff Meltzer, Ruth Lichterman Teitelbaum und Frances Bilas Spence: Die ENIAC-Programiererinnen

Der Electronic Numerical Integrator and Computer (ENIAC) war der erste Universalcomputer. Er wurde ab 1942 im Auftrag der US-Armee von John Presper Eckert und John William Mauchly an der University of Pennsylvania entwickelt. Ursprünglich sollte das geheime Projekt die Alliierten im zweiten Weltkrieg bei den komplizierten Berechnungen von Flugbahnen helfen. Doch offiziell vorgestellt wurde die programmierbare Rechenmaschine erst nach dem Krieg.

Der ENIAC sah aus wie ein Computer, wie wir ihn kennen: er war groß wie eine Wohnung, hatte 17.468 Elektronenröhren und 7200 Dioden und verfügte noch nicht einmal über einen Bildschirm. Die Programmierung war noch absolutes Neuland. Es gab keine Programmiersprache und die 6 „ENIAC-Frauen“ programmierten das Gerät, indem sie  einzelnen Komponenten mit Kabeln verbanden und an Drehschaltern die Einstellungen vornahmen – das war nicht nur kompliziert, sondern auch anstrengend.

Zitat von Frances Elizabeth „Betty“ Holberton

Die ENIAC Frauen sind wichtige Wegbereiterinnen der IT-Branche

Weibliche Vorbilder der IT-Branche sichtbar machen

Anerkennung für ihre Leistung gab es damale keine. Im Gegenteil: Für offizielle Fotos wurden sogenannte „Refrigerator Girls“ (Kühlschrank Mädchen) vor dem Universalcomputer drapiert, um die Maschine gut aussehen zu lassen. Die Namen dieser sechs Frauen verschwand immer mehr aus der Geschichte der Computer.

Auch in den 90er Jahren noch, als das 50. Jubiläum des ENIAC gefeiert wurde, wurden die meisten Programmiererinnen nicht eingeladen. Ein Unding, wie die Autorin und Historikerin Kahty Kleimann fand. Also machte sie es sich zur Mission, diese Wegbereiterinnen der IT-Branche aufzufinden und sichtbar zu machen. Aus diesem Projekt entstand nicht nur eine Dokumentation und ein Buch, sondern eine ganze Bewegung die Frauen für die IT-Branche Begeistern soll.

Ausführliche Infos zum ENIAC Programmers Project findet ihr hier.

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