Die Frauenquote: Was sie positiv verändert – und was nicht
Die Frauenquote wirkt!
Nur leider (noch) nicht in Deutschland. Zumindest nicht so, wie die Befürworter:innen sich das erhofft hatten. Darum forderte beispielsweise Bundesfrauenministerin Lisa Paus erst kürzlich die konsequentere Einforderung der Frauenquote sowie Sanktionen bei Verstößen. Zwar existiert in Deutschland seit 2015 eine gesetzliche Frauenquote für Vorstände und Aufsichtsräte, jedoch gibt es für die Unternehmen Möglichkeiten, diese zu umgehen. Zudem werden Sanktionen bei Nichteinhaltung häufig nicht konsequent umgesetzt.
Seit der Ausweitung des Gesetzes 2021 gab es einen deutlichen Anstieg von Frauen in den Top-Spitzenpositionen, die konkreten Zahlen dazu sind aber eher ernüchternd: 44 Prozent der 200 umsatzstärksten Unternehmen haben weiterhin keine Frau im Vorstand, weitere 40 Prozent nur eine Frau. Um signifikante Effekte für die Geschlechtergerechtigkeit sowie positive Auswirkungen für die Unternehmensperformance zu erreichen, muss jedoch eine kritische Schwelle von 33 Prozent überschritten werden. Beim Vorstandsvorsitz sieht es noch schlimmer aus: Diesen Posten hat bei den DAX-40 Unternehmen aktuell nur eine einzige Frau inne.
Dabei wirkt sich eine Frauenquote auf höchster Ebene tatsächlich in vielerlei Hinsicht positiv aus: Dies zeigen Studien und Untersuchungen aus anderen Ländern wie Norwegen oder Italien, wo es schon seit 2006 bzw. 2011 eine Quotenregelung für Frauen auf Vorstandsebene gibt. So führte die Einführung einer verpflichtenden Frauenquote zu einem deutlichen Anstieg von Frauen in Vorstandpositionen – ein Effekt, der ausbleibt, wenn Länder nur auf Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung von Unternehmen setzen. Gleichzeitig verbesserte sich die Qualität des Talent Pools für diese Positionen, ebenso wie z.B. in Italien das Auswahlverfahren. Sind zwei oder mehr Frauen vertreten, hat die diversere Aufstellung der Führungsriege außerdem positive Auswirkungen auf die Unternehmensperformance.
Verbesserung der Unternehmensperformance durch Frauenquote von über 30 Prozent
Eine Publikation der Uni Tübingen stellte anhand deutscher Unternehmen fest, dass die Berufung von Frauen in den Aufsichtsrat die Performance von Unternehmen verbessert. Auch andere Studien zeigen z.B. positive Effekte auf den Aktienkurs. Allerdings muss dafür eine kritische Anzahl erreicht werden. Eine einzige Frau im Aufsichtsrat sorgte z.B. zwar für eine erhöhte Teilnahmequote an den Aufsichtsratssitzungen, hatte aber keine Auswirkungen auf die Profitabilität. Dies war erst bei der Anwesenheit mehrerer Frauen der Fall. Und erst ab einem Frauenanteil von 30% wird die männliche Sichtweise nicht mehr als Standard wahrgenommen.
Höhere Qualität des Talent Pools
Ein häufiges Argument gegen die Frauenquote ist die Befürchtung, dass eine solche Regelung weniger qualifizierte Frauen gegenüber höher qualifizierten Männern bevorzugen würde.
Untersuchungen aus Norwegen zeigen: Die aufgrund der Quote neu in die Aufsichtsräte berufenen Frauen verfügen über deutlich höhere Bildungsabschlüsse als Männer. Durch die Einbeziehung weiblicher Talente ist die Qualität des Talentpools insgesamt also gestiegen. Dies passt zu der europaweiten Entwicklung, dass signifikant mehr Frauen einen höheren Bildungsabschluss haben als Männer.
In Sachen Führungserfahrung stehen die neu berufenen Frauen aktuell noch etwas schlechter da, was hauptsächlich an ihrem deutlich jüngeren Alter liegt. Dieser Nachteil gleicht sich jedoch mit der Zeit aus.
Frauenquote verbessert den Auswahlprozess
Italien führte 2011 eine gesetzlich verpflichtende Frauenquote in den Aufsichtsräten italienischer Firmen ein. In der Folge stellte eine Untersuchung des IZA- Institute of Labour Economics eine deutliche Verbesserung des Auswahlprozesses für Aufsichtsräte fest. Zuvor wurden Positionen im Aufsichtsrat häufig anhand von Verwandtschaftsverhältnissen zur Eigentümerfamilie vergeben. Diese Praxis hat seit Einführung der Quote signifikant abgenommen. Stattdessen werden höher qualifizierte Frauen berufen bei gleichzeitiger Abnahme minderqualifizierter Männer. Auch die Qualifikation der neu berufenen Männer nahm deutlich zu. Es profitieren also sowohl Frauen als auch hochqualifizierte Männer von der Quote.
Höhere Altersdiversität in der Führungsriege
Die in Italien umgesetzte Frauenquote hatte einen unerwarteten Nebeneffekt: Der Altersdurchschnitt in den Aufsichtsräten reduzierte sich deutlich. Dies könnte daran liegen, dass jüngere Frauen meist höher qualifiziert sind und somit häufiger nachrücken, wenn ältere männliche Mitglieder ausscheiden. Das Institut für Wirtschaft fand heraus, dass Altersheterogenität und ein niedrigeres Durchschnittsalter positive Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit von Unternehmen haben.
Aber: Die Frauenquote alleine verpufft.
Die Frauenquote tut, was auf ihrem Label steht: Sie ermöglicht hochqualifizierten Frauen den Einzug in die oberste Führungsriege großer Unternehmen. Allerdings auch nur, wenn die Quote verpflichtend ist und Sanktionen bei Nichteinhaltung konsequent durchgesetzt werden. Daher hat sie auf jeden Fall ihre Daseinsberechtigung – insbesondere, weil diverse Führungsteams wichtig für den gesamten Unternehmenserfolg sind.
Leider ist es keineswegs so, dass mit einer Frauenquote für Top-Positionen automatisch mehr Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt einkehrt. Tatsächlich sorgt ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis auf den unteren und mittleren Führungsebenen für einen geringeren Gender Pay Gap und mehr Chancengleichheit im gesamten Unternehmen. Erhöht sich der Frauenanteil nur auf der Top-Ebene, bleibt dieser Effekt aus.
Die Frauenquote alleine führt nicht zum gesellschaftlichen Wandel. So gibt es keinen merklichen “Trickle down”-Effekt: Die reine Anwesenheit von Frauen in der Top-Führungsriege hat keine positiven Auswirkungen auf die Karrierechancen von Frauen insgesamt oder den Gender Pay Gap. Maßnahmen für Chancengleichheit, Gehaltsgerechtigkeit und Female Empowerment sowie nachhaltige Investitionen in eine entsprechende Unternehmenskultur sind daher essentiell.
Hinzu kommt, dass v.a. Männer weibliche Führungskräfte als weniger kompetent einschätzen, wenn eine Quote existiert – auch wenn diese Einschätzung nachweisbar falsch ist. Solche Vorurteile schaden nicht nur weiblichen Fachkräften, sondern auch den Unternehmen und müssen aktiv aus der Welt geschafft werden. Aus dies gelingt besser in Unternehmen, die eine entsprechende Unternehmenskultur bereits umsetzen.
Nur wenn Frauen auf allen Ebenen gefördert und ihre Leistungen angemessen gewürdigt und bezahlt werden, verbessert sich ihre Position auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft. Vorschläge auf gesellschaftlicher Ebene für mehr Chancengleichheit sind z.B. die Einführung einer verpflichtenden Männerquote für Erziehungszeiten und gerechtere Aufteilung der Care Arbeit.