„Papa in Teilzeit“ versus „Mama in Vollzeit“

Andreas Mertes ist Teamleiter bei Deutschlands größtem Verteilnetzbetreiber – der Westnetz GmbH. Vor knapp einem Jahr ist er Vater geworden. Gemeinsam mit seiner Frau hat er sich entschieden, für ein Jahr in Teilzeit zu arbeiten und sich die Betreuung seiner kleinen Tochter mit seiner Frau zu teilen. Christine Leukel arbeitet bei Westenergie, sozusagen der Mutter der Westnetz GmbH. Sie leitet dort das technische Kompetenzcenter. Obwohl sie drei kleine Kinder hat, tut sie dies mit Leidenschaft und vollkommen überzeugt in Vollzeit. Zwei Beispiele von Arbeitszeitmodellen, die nicht in das noch immer vorherrschenden klassischen Rollenverständnis passen. Wie gut jedoch diese beiden Arbeitszeitmodelle funktionieren können, haben uns beide in einem spannenden Interview erzählt. 

Teilzeit ist immer noch überwiegend weiblich. Sie ist bei berufstätigen Müttern die Regel, bei Vätern die Ausnahme. Gründe dafür gibt es viele: Männer verdienen mehr als Frauen. Frauen werden eher bei der Kinderbetreuung und den Haushaltsarbeiten gesehen, viele Männer halten ihre Karriere automatisch für wichtiger als die ihrer Partnerin – um nur ein paar Gründe zu nennen. Ganz anders denkt Andreas Mertes. Für den studierten Elektrotechniker war es nach der Geburt seiner Tochter gar keine Frage, genau wie seine Frau in Teilzeit zu gehen und sich somit die Kinderbetreuung und den Haushalt gleichermaßen zu teilen. „Der Grund, warum ich in Teilzeit ging, ist, dass meine Frau auch erwerbstätig ist und zwar ebenfalls in einer Führungsposition. Und damit sie aus ihrem Job nicht vollkommen rauskommt, haben wir uns für dieses Modell entschieden. Keiner von uns möchte arbeitstechnisch den Anschluss verlieren.“ Ein partnerschaftliches Familien- und Arbeitsmodell, das sich viele berufstätige Mütter wünschen. Eine gleichberechtigte Aufteilung von Kindern, Küche und Karriere.

Akzeptanz & Vertrauen als Grundlage

Eine Grundvoraussetzung, dass das alles so gut funktioniert, ist die hohe Akzeptanz und das Vertrauen von Seiten seines Arbeitgebers der Westnetz GmbH, die Andreas Mertes von Anfang an bei seinen Teilzeitplänen unterstützt hat. So ein positives Verhalten von Seiten des Unternehmens ist leider noch nicht überall der Fall. Wer heute als Mann bei seiner Chefin oder seinem Chef anklopft, um über Teilzeit zu sprechen, geht immer noch ein Karriererisiko ein. Nicht so Andreas Mertes. „Als meine Frau und ich uns entschieden haben, dass wir es mit einem Teilzeitmodell auf beiden Seiten versuchen, bin ich zu meinem Vorgesetzten und habe ihm einfach unsere Überlegungen geschildert“, so Mertes. Dieser – ebenfalls 2-facher Familienvater – habe sofort zugestimmt. Dieselbe Erfahrung habe er auch innerhalb seines Teams erlebt. „Ich wüsste keinen bei mir im Team, der mir meine Teilzeit ankreiden würde. Ganz im Gegenteil: Was ich feststelle ist eher eine Faszination auf männlicher Kollegenseite, die froh sind, dass sich das mit der Teilzeit endlich mal jemand bei uns am Standort traut.“ Wer weiß, vielleicht gibt es bei der Westnetz GmbH bald mehr Familienväter, die sich für das Teilzeitmodell begeistern können, und somit einen positiven Beitrag in punkto Geschlechtergerechtigkeit leisten. Väter, die sich entschließen, Teilzeit zu arbeiten, brauchen in unserer Gesellschaft leider immer noch Mut. Doch die Entscheidung, dies zu tun, wird belohnt. Diese Erfahrung hat auch Andreas Mertes gemacht. Denn er hat sich nicht nur wegen seiner Frau für die Teilzeitlösung entschieden, sondern auch wegen seiner kleinen Tochter. So erzählt er stolz. „Ich bilde mir ein, dass ich durch unser Arbeitszeitenmodell eine deutlich intensivere Beziehung zu meinem Kind habe, als das anderer Väter haben, die vollerwerbstätig sind.“ Und mit dieser Vermutung liegt er wahrscheinlich richtig.

Natürlich hat Mertes Teilzeitarbeitsmodell auch Nachteile. Der Elektrotechniker ist bei der Westnetz GmbH als Teamleiter in einer Führungsposition angestellt, die in Teilzeit nicht voll umfänglich machbar ist. „Man kann in 2 ½ Tagen – trotz toller Zuarbeit und Unterstützung von Seiten der Kollegen – einfach kein Teamleiter sein so wie man das vorher sein konnte“, so Mertes. Trotzdem bereut er seine Entscheidung nicht. „Der Preis für mein Teilzeitmodell ist eine gewisse Bugwelle an Arbeit und Unordnung. Aber den Preis bin ich bereit zu zahlen, für das, was ich erhalte: nämlich Zeit mit meiner Tochter.“ Ab März 2022 wird Andreas Mertes wieder in die Vollzeit zurückkehren und die Bugwelle an Unordnung nach und nach beseitigen.

Vollzeit aus Überzeugung

Ein ganz anderes Arbeitszeitenmodell fahren die 3-fache Mutter Christine Leukel und ihr Mann. Die Wirtschaftsingenieurin leitet seit November 2021 das technische Kompetenzcenter der Westenergie, dem größten regionalen Energiedienstleister und Infrastrukturanbieter in Deutschland. Trotz ihrer drei Kinder hat sie sich ganz bewusst für das Vollzeitmodell entschieden. Auch ihr Mann arbeitet in Vollzeit. „Ich habe einen recht hohen Anspruch an mich selbst“, so Christine Leukel. „Es würden mir – aufgrund meiner familiären Situation – auch andere Arbeitszeitmodelle möglich gemacht von Seiten der Westenergie, aber die will ich gar nicht“. Christine Leukel ist eine überzeugte Working Mom, die der Job erfüllt und die beruflich noch weiterkommen möchte. Und auch dieses Modell funktioniert – trotz drei kleiner Kinder. Zum einen aufgrund eines gut durchorganisierten Betreuungsnetzwerkes, zum anderen durch eine enge Absprache mit ihrem Mann und eine hohe Flexibilität seitens ihres Arbeitsgebers.

 

Da hat sie mit der Westenergie Glück. Denn in diesem Unternehmen hat neben der Förderung von Diversität, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einen hohen Stellenwertangebote sowie Beratungsleistungen beispielsweise ganz aktuell in der Corona-Pandemie zum Thema Homeschooling zur Verfügung. „Mir wird von Seiten der Westenergie als Mutter in einer Führungsposition sehr viel Verständnis entgegengebracht“ so die Wirtschaftsingenieurin. „Bei mir kommt es schon mal vor, dass ich nicht pünktlich im Meeting bin. Aber ich bin nicht bereit, irgendwo eine dreiviertel Stunde Puffer einzuplanen, nur damit ich zwingend pünktlich bin. Dann plane ich lieber nur eine viertel Stunde Puffer ein und komme dann zu Arbeitsbeginn in zwei von fünf Meetings fünf Minuten zu spät. Das ist einfach für mich effizienter. Das wird mir aber von niemandem nachgetragen“. Auch hier hat Westenergie erkannt: Im Endeffekt zählt nicht, wer, wann, wo anwesend ist, sondern was er am Ende geleistet hat. Von dieser Einstellung profitiert die 3-fache Mutter. Immer wieder betont sie, was für ein großes Vertrauen ihr von Seiten ihres Chefs entgegengebracht wird. „Rein von meinem Werdegang sind das schon recht große Schritte. Ich finde es toll, dass mir das so zugetraut wurde. Trotz meiner Kinder. Oder vielleicht gerade wegen der Kinder“, erzählt sie durchaus ein bisschen stolz.

Ein familienfreundlicher Arbeitgeber macht all das möglich

Die Westenergie ist sehr bemüht, Frauen und auch Mütter für den Konzern zu gewinnen und zu fördern. Von daher hat das Unternehmen Anfang 2021 die Frauenakademie FEMpower gegründet. Ziel der Akademie ist, Frauen aus dem Unternehmen auf ihrem Karriereweg zu begleiten und auf verantwortungsvolle Positionen bei Westenergie vorzubereiten. Denn Gleichberechtigung ist eine elementare Frage von wirtschaftlichem Erfolg. Ziel des Unternehmens ist es, diverse Teams zu fördern, um so die Leistungsfähigkeit des Konzerns zu erhöhen. Auch Christine Leukel hat bei FEMpower schon Angebote wahrgenommen.

Während unseres Gespräches bekommt man den Eindruck, dass bei Christine Leukel alles mehr als perfekt läuft. Doch auch ihr Vollzeitmodell hat natürlich Nachteile. Das gibt die erfolgreiche Mutter ganz offen zu. „Das mit den Kindern und dem Job lief so ziemlich nach meinen Vorstellungen. Aber was mir definitiv fehlt, ist „Ich – Zeit“. Sport mache ich gar nicht, schon seit Jahren. Und jetzt gerade mit dem Wechsel im Job, da bleibt nicht viel Zeit.“  Auch mehr Zeit mit den Kindern wünscht sie sich ab und an. Dennoch würde sie an ihrer jetzigen Situation nichts ändern. Denn sie steht zu dem, was sie tut. Und das ist das, was zählt. „Meine Kinder stehen immer an erster Stelle. Aber mein Job ist mir eben auch wichtig“. So sagt sie zum Abschluss als Tipp an alle Mütter: „Am besten den Weg machen, der nicht zu Gewissensbissen führt. Wenn man arbeiten möchte, ist das gut so. Und wenn man zuhause bleiben möchte, ist das auch gut so. Wenn man sich selbst wohlfühlt, dann ist es richtig.“